Altes Schätzchen, neue Technik
Ein Oldtimer wird auf seine große Jubiläumsfahrt vorbereitet

Sechs elektrische Versuchstriebwagen der AEG fuhren erstmals am 8. August 1924 vom Stettiner Vorortbahnhof (heute Nordbahnhof) nach Bernau: die offizielle Geburtsstunde der Berliner S-Bahn.

Eine Zeitung schrieb damals in ihrer Abendausgabe: „Die Wagen der neuen Bahn sind ganz aus Eisen gebaut und die leichtesten der Welt. Das Aussehen der Züge wird freundlicher sein (…), da man wegen des Fortfalls des Rauchs hellen Lack für das Äußere der Waggons verwenden wird …“ Begeistert sind die Berlinerinnen und Berliner von ihrer „Neuen“, die bald ihren Siegeszug antreten und die schnaufenden schwarzen Dampfloks ablösen wird.

Wie es sich in einem Original-Zug aus den goldenen Zwanzigern fährt, können S-Bahn-Fans beim Jubiläums-Festival vom 8. bis zum 11. August erleben. Ein historischer rotgelber Stadtbahner mit Bänken und Wänden aus Holz wird dann auch auf der Strecke Nordbahnhof – Bernau unterwegs sein. „Seit fast zwei Jahren arbeiten wir daran, das Fahrzeug fit für den Einsatz bei den Feierlich­-
keiten zu machen“, sagt Walied Schön, Mitglied im Verein Historische S-Bahn e. V. und Lokführer bei der S-Bahn Berlin. Mehr als 10.000 Stunden haben er und seine Kolleg:in­nen investiert, um den Zug aufzurüsten. Neue Sicherheits­technik musste her, damit der Oldtimer, Baujahr 1928, nach Bernau starten darf.

 

Technisches Neuland

„Wir haben mit dem Projekt Neuland betreten“, erzählt Robin Gottschlag, Vorsitzender des Vereins. „Noch nie hat in Deutschland ein historischer Zug eine so moderne Sicherungs­technik wie das Zugbeeinflussungssystem (ZBS) der S-Bahn Berlin bekommen.“ Unter einer alten Holzbank steht jetzt ein grauer Kasten aus Metall, in dem sich ein Bordcomputer verbirgt. Über eine Antenne unter dem Zug erhält er Informationen zur Strecke und überwacht die Fahrt: Wird die erlaubte Geschwindigkeit übertreten oder ein rotes Signal überfahren, stoppt der Computer das Fahrzeug im Notfall automatisch.

Viel Know-how und Finger­-spitzengefühl waren nötig, um die mechanische und die digitale Technik miteinander „zu verheiraten“.

Geplant wurde der Einbau der modernen Teile am Rechner im Büro. „Wir haben die fast 100 Jahre alten Baupläne des Fahrzeugs studiert und einen ,digitalen Zwilling‘ des Trieb­wagens erstellt“, erklärt Ingenieur Matthias Dürr vom Verein. „Auf dieser Basis wurden dann zum Beispiel die Verbindungsteile ent­worfen, mit denen die gelbe Antenne unter dem Fahrzeug montiert werden konnte.“ Gleich im ersten Anlauf habe alles perfekt gepasst, freut sich der Spezialist. Für historisches Flair im Führerstand sorgt ein neues Bedienpult mit Retro-Kipptasten.

 

Scheck über 3,5 Millionen Euro

„Mit der modernen Technik dürfen unsere schönen alten Museumszüge weiterhin auf Fahrt gehen, sonst hätten sie stillgelegt werden müssen“, meint Gottschlag. „Große und kleine S-Bahn-Fans haben die Gelegenheit, auch in Zukunft ein wichtiges Stück Berliner Geschichte live auf der Schiene zu erleben.“ Möglich wurde die Umrüstung des ersten historischen Fahrzeugs dank der Förderung des Landes Berlin: Mit insgesamt 3,5 Millionen Euro wird das Jubiläum zum 100. Geburtstag der S-Bahn unterstützt. Neben dem Verein Historische S-Bahn stehen auf der Förderliste das Deutsche Technikmuseum, das Berliner S-Bahn-Museum und Kulturprojekte Berlin. | Kristin Lübcke

 


Fotos: André Groth


Neue Technik im historischen Führerstand: Moderne Bedienelemente mit Retro-Kipptasten wurden eingebaut.


Hightech an Bord: Ein Computer überwacht jetzt die Fahrt im Stadtbahner.


Eine Antenne unter dem Fahrzeug empfängt die Streckeninformationen und leitet sie an den Bord-Computer weiter.


Sogenannte Balisen in den Gleisen senden Informationen zur Strecke an das Fahrzeug.

 

 

 

Informationen zu Jubiläums-Sonderfahrten: s-bahn-festival.berlin